„Wer sind denn eigentlich Fritz und Édouard?“ Diese Frage stand im Raum, als am 29. August 2019 das so betitelte Projekt im Geschichtsunterricht der 10a anstand. Die Klasse hatte das Thema ‚Der Erste Weltkrieg‘ bereits erarbeitet und nun ergab sich die Möglichkeit, die Ergebnisse des Unterrichts mit diesem Projekt abzurunden.
Es basiert auf den Recherchen von Michael Scherfenberg, der viele Jahre Französisch und Geschichte an der St. Ursula-Schule unterrichtete, bevor er dann in die Schulleitung eines anderen Hannoverschen Gymnasiums eintrat. Nach Abschluss seiner beruflichen Tätigkeit widmet er sich verschiedenen Projekten und „Fritz und Édouard“ ist eines davon.
Durch die Sichtung von Unterlagen aus der Familie seiner Frau Maren gelangte er an eine Reihe von Dokumenten und Erbstücken aus dem Besitz ihres Großvaters, Friedrich Wittwer (1890 - 1952), der von 1914 bis 1917 als Offizier an der Westfront kämpfte.
Im Gespräch mit seinem langjährigen französischen Freund Philippe Blocaille aus Dijon stellte sich dann heraus, dass dieser über ähnliche Dinge aus dem Nachlass seines Großvaters, Édouard Krau (1885 – 1915), verfügte, der ebenfalls im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte.
Auf der Grundlage dieser Unterlagen konnte Michael Scherfenberg eine faszinierende Sammlung von Gegenständen und Dokumenten zusammenstellen und das Leben dieser beiden Soldaten des Ersten Weltkriegs in einer Art vitae parallelae einander gegenüberstellen.
Begleitet von entsprechendem Bildmaterial ließ Michael Scherfenberg das Leben dieser beiden Männer in einem Vortrag vor den Schülerinnen und Schülern der 10a Revue passieren.
Beide Männer, Fritz und Édouard, stammten aus einem bürgerlichen Milieu, hatten studiert (Fritz Philologie, Édouard Maschinenbau) und waren verheiratet. Fritz stammte aus Magdeburg, Édouard war als Kind mit seiner Familie aus Luxemburg nach Paris gezogen.
Beide wurden im Ersten Weltkrieg schnell mit dem grausamen Gesicht des Krieges konfrontiert, im Stellungskrieg an der Westfront. Zwar schickten beide Briefe mit aufmunternden Botschaften nach Hause, doch es war klar, dass sie dies nur taten, um ihre Familien zu beruhigen.
Wie recherchiert werden konnte, kämpften sie innerhalb von 25 Kilometern auf ihrer jeweiligen Seite der Front.
Édouard Krau wurde 1915 von einer deutschen Granate getötet. Er hinterließ eine Frau und vier Kinder, die sein Tod in eine sehr schwierige wirtschaftliche Lage brachte.
Fritz Wittwer geriet 1917 verwundet in britische Gefangenschaft, aus der er 1920 entlassen wurde.
Das Leben dieser beiden Männer im Krieg wurde auch durch eine Reihe von Exponaten veranschaulicht, die die Schülerinnen und Schülern sich in einer kleinen Ausstellung anschauen konnten: Militärpässe, deutsches und französisches Propagandamaterial, persönliche Fotos aus dem Schützengraben, Ausrüstungsgegenstände wie ein Koppelschloss mit der Prägung ‚Gott mit uns‘, Brotbeutel, Trillerpfeife, etc.
Dem Vortrag schloss sich ein lebhaftes Gespräch der Schülerinnen und Schüler der 10a mit dem Referenten an, der auf die tragische Kontinuität der sogenannten deutsch-französischen ‚Erbfeindschaft‘ in drei aufeinander folgenden Kriegen seit 1870/71 hinwies.
Den Millionen deutscher und französischer Soldaten, die in diesen drei Kriegen starben, wurde durch Fritz und Édouard ein Gesicht gegeben. Beide waren gebildete Männer, beide Familienväter. Beide wurden geprägt durch die Politik und Gesellschaft ihrer Zeit und glaubten, ihrem jeweiligen Staat etwas schuldig zu sein.
Fritz Wittwer war Lehrer für Französisch und Geschichte und sprach Französisch, Édouard Krau als gebürtiger Luxemburger sprach fließend Deutsch. In einem anderen Leben hätten sie sich vielleicht - buchstäblich - eine Menge zu sagen gehabt.
Birgit Woltermann
(Fachgruppe Geschichte)